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Dienstag, 29. Oktober 2013

Frankfurt Marathon 2013 - Eine Lektion in Demut

Zuerst einmal vorneweg: Am Anfang des Jahres stand überhaupt kein Marathon auf meinem Plan und erst Mitte des Jahres habe ich mich durch einen kostenlosen Startplatz über BMW zu einer Teilnahme am Frankfurt-Marathon quasi "überreden" lassen.
Mein Frühjahr war ja schon überaus erfolgreich und so stieg ich mich nach einer ausgedehnten Regenerationsphase im Juni und Juli (hier habe ich allerdings schon Tabata-Intervalle eingestreut) am 1. August in die Vorbereitung ein. Ein Ziel war schnell formuliert, warum sollte es nicht möglich sein, auf einem schnellen und flachen Stadtkurs die 3:49:15 vom Weiltalwegmarathon deutlich zu unterbieten, also war 3:30:00 die nächste Benchmark.
Man wächst mit seinen Aufgaben, außerdem tickt die biologische Uhr unaufhaltsam gegen mich, mit 50 hat man nicht mehr so viel Potential, sich zeitlich zu verbessern.
1x in der Woche Intervalltraining, 2-3 Dauerläufe, ein langer Lauf am Wochenende, dazu 1x pro Woche Pilates, im Sommer Outdoor Kraft-/Koordinationstraining im Frühherbst Kettlebell-Swings.
Dazu bin ich nahezu täglich zur Arbeit und zurück 32km mit dem Rennrad unterwegs gewesen.
In meinem Umfeld hat man mich für sportsüchtig und verrückt erklärt, aber ich fühlte mich gut und hatte einen großen Spaß.
Bereits am 1. September lief ich dann in Dietesheim 1:37:46  auf der Halbmarathondistanz und pulverisierte damit meine persönliche Bestzeit um mehr als sechs Minuten. Doch nach dem Hoch kam dann postwendend auf das Riesentief. Vermutlich durch einen nicht fest genug geschnürten Schuh holte ich mir eine Faszienverklebung, die leider vom Orthopäden nicht so diagnostiziert wurde, bzw. auch nicht die richtigen Behandlungswege eingeleitet wurden.
So verordnete er und ich mir eine einwöchige Laufpause, die ich aufgrund anhaltender Beschwerden zwei Mal verlängern musste. Den als Vorbereitung geplanten Basel-Marathon musste ich daraufhin absagen.
Erst als mir dann vor lauter Frust der Kragen platzte und ich aus eigenem  Antrieb bei einer ortsansässigen Physiotherapeutin in Behandlung ging, löste sich das Problem während einer einzigen Behandlung!!!
Eigentlich wollte ich mir nur ein Kinesiotape kleben lassen aber Sigrid Tinat überredete mich zu einer Behandlung nach dem Fasziendistorsionsmodell von S. Typaldos. Diese Behandlungsmethode, die ihren Ursprung in der Osteopathie hat ist zwar sehr schmerzhaft, war aber bei mir sehr effektiv. Bereits am nächsten Tag konnte ich wieder in die Marathonvorbereitung einsteigen.
Ob die Freude darüber überwog oder der Ärger über die drei verlorenen Wochen kann ich bis heute nicht sagen. Eines weiß ich heute jedenfalls sicher: Die fehlenden langen Läufe haben definitiv eine bessere Zeit verhindert.
Ich versuchte, so gut wie möglich die fehlenden Kilometer zu substituieren und lief auch an den Regenerationstagen zusätzlich lockere 5km Einheiten. Das Tempo bei den Intervallen kam auch recht schnell wieder zurück, aber einen fehlenden langen Lauf kann man einfach nicht kompensieren. Marathon ist nun mal die Königsdisziplin. Das Tapering nahm ich schon recht ernst, aber die Lockerheit des Frühjahres oder wie vor dem Halbmarathon im September wollte sich einfach nicht einstellen. Viele sagten, das sei normal, aber ich fühlte mich immer noch recht müde und abgespannt.

In der letzten Woche schlief ich viel, machte nur noch zwei kurze Einheiten, aber selbst die fielen mir schwer. So ging ich entsprechend skeptisch in das Rennen.
Eines muss ich sagen, ich bin ja in den letzten Jahren immer in einer Staffel mitgelaufen, aber so gut wie dieses Mal habe ich die Stimmung noch nie empfunden.
Leider gelang es den Veranstaltern nicht, die Blöcke wirklich nach Leistung zu teilen und obwohl ich mich schon recht optimistisch in der Mitte des BMW-Blocks für Zielzeiten zwischen 3:15 und 3:30 platziert hatte befanden sich vor mir etliche wesentlich langsamere Läufer, die dann, zum Teil sogar sehr unsportlich, auch noch nebeneinander als menschliche Mauer durch die engen Stellen am Anfang der Strecke "schlichen". Entsprechend schwer fiel es mir und auch einigen anderen Läufern, den Rhythmus zu finden. trotzdem war ich nach 5 km im Soll, vermutlich hat aber schon dieser Stress einige Kraft gekostet.

 
Bis zur Halbmarathonmarke lief ich recht gleichmäßig mein Solltempo und weniger als eine Minute über meinem Plan. Aber schon da merkte ich, dass die Beine einfach nicht frisch genug waren, ja schon zu so einem frühen Zeitpunkt schwer wurden. Deswegen entschloss ich mich frühzeitig, den Druck und das Tempo zu reduzieren, denn eine persönliche Bestzeit war allemal drin, ich musste nur einigermaßen heil ins Ziel kommen.


 Dass mir das dann so schwer fallen würde möchte ich nicht auf die wahrlich schwierigen Bedingungen mit böigem Wind oder Regen schieben. Dieser Effekt hat mich vielleicht zwei oder drei Minuten gekostet. Aber ich habe trotz Plan B noch nie so oft an Aufgeben gedacht und musste mehrfach mein Mantra bemühen, um nicht doch diesem Wunsch nachzugeben.

 
So hangelte ich mich von Verpflegungsstelle zu Verpflegungsstelle, wobei ich die letzten 3 km durch die Innenstadt mit den ganzen Turbulenzen und Gegenwind nur noch im Tunnel wahrnahm.
Auf meine Uhr schaute ich schon lange nicht mehr, und nachdem ich dann endlich den fantastischen Zieleinlauf in der Festhalle genießen konnte war ich überrascht, dass die Nettozeit nur 3:43:05 betrug. Und damit habe ich trotz aller Widrigkeiten meine alte Bestzeit um mehr als sechs Minuten unterboten.

 

Was hätte ich besser machen können? Nicht viel! Natürlich hätte ich langsamer angehen können und mich damit auf der zweiten Hälfte nicht so gequält. Aber hätte ich es dann gewusst? Mehr Lauftraining geht aufgrund meiner Knochen und Gelenke nicht, auf die Technik werde ich speziell im nächsten Halbjahr verstärkt Wert legen. Rumpfstärkung gehört weiterhin ebenfalls dazu.
An dieser Stelle möchte ich mich zuerst bei meiner Frau für die unendliche Geduld mit mir bedanken. Ich weiss, ich war in den letzten Wochen desöfteren unausstehlich, wenig ansprechbar oder/und sehr fokussiert auf dieses Ereignis.
Mein Dank geht ebenfalls an die Unterstützer an der Strecke und im Word Wide Web. Ihr habt mit gefühlt, gefiebert und gelitten.
Und nicht zuletzt an die vielen Freunde vom #twitterlauftreff. Danke für die vielen Tipps, die aufmunternden Worte, die schönen Treffen.
Ohne Euch alle ging es nicht!

Hier gibt es die Details zu meinem Lauf auf Runalyze
Hier gibt es die offiziellen Fotos
Hier gibt es die Videos zu meinem Lauf
Hier die offiziellen Splitzeiten

6 Kommentare:

  1. Toller Bericht und tolle Leistung. Du hast meinen Respekt!

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  2. Gut gelaufen und schön geschrieben. Ich hoffe, daß wir wiedermal gemeinsam an einem Start und Ziel stehen, mal sehen was 2014 so bringt...

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  3. @Marco Danke
    @Silvio Wie ich gesehen habe, hast du für den Rodgau50 gemeldet. Da sehen wir uns dann auf alle Fälle.

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  4. Liest sich gut und 3 Wochen in der unmittelbaren Vorbereitungszeit sind natürlich heftig, das holt man nicht mehr auf. Aber der Körper vergisst bekanntlich nicht, sodass der Sprung unter die 3:30 2014 fast schon Formsache sein sollte, wenn mal alles reibungslos klappt!

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  5. Für dein ursprüngliches Ziel bist du die erste Hälfte ja nicht zu schnell angegangen. Unter den Voraussetzungen war dann einfach auch mit einer anderen Taktik nicht mehr drin.

    Die Bestzeit konntest du ja trotzdem deutlich verbessern. Nächstes Jahr gibt es dann den nächsten Versuch für die 3:30 ... und vorher natürlich eine schöne Runde in Rodgau :)

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  6. @Mario Das hoffe ich auch

    @Laufhannes Da hast du Recht. Mit einem langsameren Start wäre die Gesamtzeit sicher besser und die Schmerzen geringer gewesen. Aber dann hätte ich auch die Erfahrung nicht gesammelt und das war wichtig.

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