Teil 1 – Die Vorbereitung
Ja, wo soll ich genau anfangen? Etwa,
dass ich vor fünf Wochen nicht einmal wusste, dass es ihn gibt, den
„längsten Marathon der Welt“.
Schon seit längerem habe ich mich nach
insgesamt drei Jahren Lauferfahrung gefragt, ob ich es eines Tages
überhaupt angehen sollte, das Erlebnis Marathon. Einige für mich
erfolgreiche Halbmarathons hatte ich ja bereits in den Beinen, aber
da meine Muskeln und Gelenke bisher jeden ernsthaften Gedanken an
längere Strecken verhinderten, stellte sich die Frage „wann und
wo?“ nicht, solange das „wie überhaupt?“ nicht geklärt war.
Klar war eigentlich nur, dass der erste
und vielleicht einzige Marathon etwas Besonderes sein musste.
Als dann eines Donnerstag abends in der
S-Bahn mein Handy klingelte, wurde mir die Entscheidung vom Schicksal
abgenommen.
Eine freundliche Dame aus der
Marketing-Abteilung von BMW fragte mich, ob ich mich daran erinnern
könne, vor einiger Zeit bei einem Gewinnspiel für den Marathon du
Médoc mitgemacht zu haben. Ich konnte weder bejahen noch verneinen,
da ich bei einigen Marathon-Gewinnspielen, eher aus Gewohnheit als
aus Gewinnerwartung, teilgenommen hatte. Da die Akustik sehr schlecht
war, bat ich die Dame, mich später noch einmal anzurufen.
Ich hatte immer gedacht, solche
Spiele seien nur zum Adressenfang, nicht im Entferntesten hatte ich
erwartet, auch noch zu gewinnen.
Doch der Traum endete nicht abrupt, der
erneute Anruf erfolgte. Ich würde fünf Tage mit www.laufreisen.de zum Marathon du Médoc fahren. Die Zusage war nach kurzem Blick in
den Terminkalender Formsache.
Erst nun fing ich an, mich mit dem
Ereignis überhaupt zu beschäftigen. Erstens war ich auf Grund einer
Sprunggelenkverletzung in den letzten Wochen maximal 21km pro Woche,
und das verteilt auf drei Einheiten gelaufen und zweitens hatte ich
lediglich vier Wochen Vorbereitungszeit.
Gott sei Dank ist aber der „Médoc“
kein normaler Marathon. Über 50 Weingüter in der Region Pauillac
werden durchlaufen, auf vielen Weingütern und auch unterwegs besteht
die Verpflegung nicht nur aus Wasser, Cola und Obst. Nein, es wird
Rotwein aus der Region oder vom Weingut, mal in Bechern, mal in
Gläsern kredenzt. Dutzende von Kapellen und Bands spielen am
Straßenrand und auf den Chateaus. Ein Großteil der Läufer ist
verkleidet und die Stimmung ist unbeschreiblich gut.
Bleiben natürlich 42,195 km, die in
irgendeiner Weise im Zeitlimit von 6:30:00 gelaufen werden müssen.
Dank intensiver kinesiologischer
Behandlung durch Kerry Egan von der Chiropraktik Westend war mein
Sprunggelenk weitestgehend schmerzfrei und prompt lief ich in meinen
persönlichen Super-GAU: Ich hätte es wissen müssen, man kann
seine Wochenpensum unmöglich von 21 auf 52 km steigern, ohne
ernsthafte Folgen zu verspüren. Obwohl ich von vorne herein die
Run&Walk Strategie von Jeff Galloway wählen wollte und sehr
langsam lief, bedeuteten zwei lange Trainingseinheiten hintereinander
das vorläufige Aus.
Die Diagnose war ernüchternd und
niederschmetternd: Schienbeinkantensyndrom. Die Behandlung eindeutig:
Ruhe, Ruhe, Ruhe und Eis. Lediglich Fahrrad war möglich und erlaubt,
aber wie sollte ich knapp 42 km durchstehen, wenn ich nicht mal 500m
schmerzfrei gehen könnte?
Mit großem Frust und eigentlich ohne
Hoffnung ließ ich mich nun zwei Mal pro Woche von Kerry behandeln,
doch Fortschritte gab es, zumindest aus meiner Sicht, keine.
Sie war zwar zufrieden und
zuversichtlich, hätte sie doch meine wahre Schwäche entdeckt, doch
für mich war das wenig Trost, der Marathon rückte näher.
Mein letzter Termin war Dienstag vor
dem Lauf, doch am Montag brach sich meine Therapeutin den Fuß.
Und hier fängt eigentlich meine
„Liebesgeschichte“ an. Kerry, die mir von José und Nicola so
wärmstens empfohlen wurde, schrieb mir, sie wolle mich unbedingt
noch einmal behandeln um mir meine Chance nicht zu vereiteln.
Nach einigen Mails und Telefonaten und
nochmals geduldigem Warten in der Praxis, traf sie, selbst humpelnd
mit Schiene, in der Praxis ein und mir stand die härteste, längste
und schmerzhafteste Behandlung der letzten Wochen bevor.
Weit über eine Stunde wurde gedrückt,
gezogen, gerenkt und wieder gedrückt. Ich kann aus eigener Erfahrung
sagen, dass Bohren beim Zahnarzt dagegen wie streicheln ist.
Und das Wunder geschah. Als ich die
Folterbank verließ, war der Schienbeinschmerz einem höllischen
Muskelkater gewichen aber ich konnte endlich wieder schmerzfrei
gehen.
Trainingseinheiten waren keine mehr
vorgesehen, wie auch, nur die Bestätigung von ihr, dass der Zustand
meiner Muskeln in den vergangenen Jahren noch nie so gut gewesen sei,
wie zu diesem Zeitpunkt.
Ich war und blieb skeptisch und horchte
weiter intensiv in meinen Körper hinein.
Teil 2 folgt ...
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