Freitag, 18. Mai 2018

Boston Marathon 2018 - EPIC EPIC EPIC (2) The Race

Raceday



Ich schlief gut, fast zu gut und ich wachte relativ pünktlich (nur 30 Minuten vor dem Wecker) auf. Bereits in der Nacht hatte der prasselnde Regen begonnen und sollte auch bis zum Ende des Marathontags nicht mehr aufhören.
Die Wettkampfkleidung hatte ich am Vortag gerichtet, die Bagels, Honig und Butter waren eingekauft, so frühstückte ich in aller Ruhe und verrichtete alle nötigen Handlungen ohne jegliche Hetze.
Erster Versuch: Im letzten Moment doch für die Regenjacke entschieden
Da gab es noch den Plan, ohne Jacke zu laufen
Den Empfehlungen, ein weiteres altes Paar Schuhe mit nach Hopkinton zu nehmen konnte ich "mangels Masse" nicht folgen, aber hätte ich es vorher gesehen, wäre ich dem Beispiel einiger Läufer gefolgt und hätte meine Füße bis zum Start in Plastiktüten eingebunden. Man lernt einfach nie aus!

Eine alte Laufhose (Marke Aldi Größe 52!!!) und ein "wunderschöner" Norwegerpullover mussten es als Überzug zusammen mit einem Regencape vom Frankfurt Marathon tun und taten es den Umständen entsprechend auch.

Im letzten Moment entschied ich mich dann Gott sei Dank noch für den Lauf im Essential Run Jacket von Brooks anstatt einer dünnen Regenjacke. Welch eine glückliche Entscheidung!
Dann ging es zur Green Line. Leider vergaß ich meine Pre-Race Trinkflasche, der angenehme Nebeneffekt aber war der nicht vorhandene Harndrang, vor allem im Bus zum Start.

Im Athletes Village gab  es dann noch schnell ein Fläschchen Wasser und einen Donut. Allerdings sind unterwegs wirklich bei jeder Meile(!) Verpflegungsstationen mit Wasser und Gatorade, so dass keiner verdursten muss.

Die Startblöcke beim Boston Marathon sind streng nach Zeiten eingeteilt und auch die Abholzeiten haben enge Fenster. Das ist wichtig und gut, sonst könnte man niemals bis zu 36.000 Menschen auf den schmalen Straßen von Hopkinton zum Starten bringen. Dabei sind die langsameren Starter zumindest in diesem Jahr im Vorteil gewesen, da die Wartezeiten sowohl im Athletendorf als auch am Start für die vorderen Gruppen relativ lang waren.

Ich entschied mich für eine Abholzeit relativ am Ende meines Zeitfensters und so musste ich im Athletes Village auf dem zwar überdachten, aber von den Läufern trotzdem knöcheltief umgepflügten Acker kaum 10 Minuten warten und schon wurden wir aufgefordert, uns auf den Weg zu den Corrals zu machen.
Auf dem Blog von runskills findet ihr ein paar "beeindruckende" Fotos.
Auch hier ist der Weg nochmal relativ weit, ich glaube, vor dem Rennen hat man gehend nochmal zusätzlich zwei bis drei Meilen zurückgelegt. Kaum angekommen konnte ich mich gerade noch meiner Überkleidung entledigen und meine Schuhe nachschnüren und schon fiel der Startschuss.

Endlich!

Klatschnass von Kopf bis Fuß waren wir alle schon, aber endlich kam durch die Bewegung ein bisschen Wärme in den Körper. Mein Zeitziel hatte ich schon vorher ad acta gelegt, unter diesen Umständen war gesund und sicher durchkommen die Devise.

Da der Kurs auf den ersten 16 Meilen erst abschüssig und dann flach ist, darf man weder zu schnell angehen, noch die Hoffnung haben, dass man als Freizeitläufer dieses Tempo vor allem in den Newton Hills durchhalten kann.



Mir war es einfach nur kalt und erst nach einigen Meilen kamen meine Beine einigermaßen  auf Betriebstemperatur. Das Problem war aber nicht der Regen, sondern der permanente, oft böige, eiskalte Wind.  Trotzdem erreichte ich Wellesley und die Halbmarathonmarke mit 1:49 noch auf dem ursprünglichen Fahrplan.



Was sich am Rande der Strecke abspielte war allerdings unglaublich. Bis auf ganz wenige Abschnitte war die gesamte Strecke von fanatischen Zuschauern gesäumt, die uns alle ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit  mit gewaltiger Lautstärke anfeuerten. Besonders und natürlich schon von weitem zu hören der "Wellesley Scream Tunnel".


Da kann man einfach nicht aufgeben, und nur so erklärt sich die trotz des Wetters wahnsinnig hohe Finisherquote von fast 96%.


Auch die Newton Hills lief ich, wie schon das gesamte Rennen, sehr fokussiert, immer wieder angetrieben von einer für die Wetterverhältnisse unglaublichen Menschenmenge. Zwar wurde die Muskulatur immer härter, aber das auf und ab machte mir weniger aus als der Wind und die Temperatur. So war ich doch einigermaßen überrascht, als es plötzlich hieß: "It's all downhill from here". Das also war der berüchtigte Heartbreak Hill!


Als es dann endlich in die Außenbezirke der Stadt ging wurde die Strecke enger und der Geräuschpegel nahm immer weiter zu. Keine Zeit, um sich mit den müden Muskeln und dem Frieren zu beschäftigen. Ich befand mich mittlerweile, so dachte ich zumindest, auf solidem Kurs zu einem Finish unter 3:50 h, aber irgendwo hatte mir wohl das GPS einen Streich gespielt.
Als ich bei KM 40 noch einmal meine Uhr adjustierte bekam ich auf einmal 3:50:30 als Endzeit prognostiziert. Das wollte ich dann doch nicht und so packte ich meine restliche Energie in einen langgezogenen Endspurt.








"Right on Hereford, left on Boylston", die famosen letzten zwei Straßenkehren, die zu laufen sind, zog ich noch einmal richtig durch und so reichte es dann  unter den extrem schlechten Bedingungen für mich sensationellen 3:49:58. Allerdings musste ich lange bangen, denn ich hatte 59 Sekunden handgestoppt und man weiß ja nie.





Wer es noch nie erlebt hat, es ist einfach unglaublich. Das Ziel ist in Sichtweite, ich hatte das Gefühl, ich sei in einem ausverkauften Fußballstadion, so brüllten und trieben uns die Zuschauer ins Ziel.


Und wenn man dann die vorher so oft besuchte Ziellinie passiert, fällt alles von einem ab. Pure Freude und, obwohl ich doch jetzt schon ein paar Marathons gelaufen bin, dieser unglaubliche Moment, am Ziel meiner Träume zu sein. Es hätte nur noch "For A Moment Like This" aus den Lautsprechern gefehlt.


Die Tränen schossen mir in die Augen und es gab für einige Sekunden dieses unglaubliche Gefühl, dass die Zeit still steht. Anders als bei anderen Stadtmarathons, bei denen man von Volunteers sehr schnell aufgefordert wird, weiterzugehen geschah hier alles langsam, mit Gefühl und wie in Trance.








Das Umhängen der Medaille, die Hilfe beim Überziehen der hervorragenden Wärmejacken, alles nahm ich gefangen im Augenblick wahr.





Beim Anblick der Schlange an der Kleiderbeutelausgabe war mir klar, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, nichts abzugeben. Wie mir Igor später erzählte standen auch die Umkleidezelte zur Hälfte unter Wasser.


Ich begab mich also gleich in die Arlington Station und war damit zumindest vor dem Wetter geschützt. Zwar musste ich auch 10 Minuten auf meinen Zug warten und weitere 10 Minuten fahren, war aber eben nicht mehr dem Regen und dem eisigen Wind ausgesetzt.


Trotzdem brauchte ich beide Hände, um den Schlüssel ins Schloss zu bekommen und kurze Zeit überlegte ich, bekleidet unter die Dusche zu gehen. Gott sei Dank  war es aber  in meinem Zimmer so warm, dass mir selbst das schwierige Ausziehen der Kompressionssocken einigermaßen zügig gelang.


Am Abend war ich dann nach einem kleinen Schläfchen wieder so gut hergestellt, dass auch dem Besuch der Post-Race-Party im Fenway Park (dem Stadion der Red Sox)  nichts im Wege stand. Diese verlief dann, vor allem im Vergleich zur Pastaparty sehr enttäuschend.

Schon die Beschilderung war mehr als mangelhaft und als wir dann endlich den richtigen Hospitality Bereich erreichten, erhielten wir einen Gutschein für genau ein Getränk. Sind die Restaurantpreise in den USA sowieso schon recht hoch, so waren die Stadionpreise echt happig.

So folgten wir der Vorstellung der beiden Überraschungssieger, machten ein paar Erinnerungsfotos im Stadion und verließen die spärlich besuchte Veranstaltung recht bald.


Unser Belohnungsbier und den fälligen Burger ließen wir uns in einer der umliegenden Bars  schmecken, mit dem Glück, gleichzeitig einem NHL-Playoff Spiel der Boston Bruins folgen zu können.

Dann überfiel uns doch recht schnell die Müdigkeit und wir verabredeten uns zum Abschluss Frühstück im Pavement Coffee House. Damit ging dann am nächsten Morgen mein Boston-Abenteuer zu Ende und ich fuhr noch einige Tage zur Erholung auf Cape Cod. Eine Sammlung der schönsten Bilder dieser wunderschönen Halb(-Insel) findet ihr hier oder auf Flickr.
Cape Cod 2018

Unter all den Eindrücken habe ich beschlossen, auch in diesem Jahr auf den Herbstmarathon zu verzichten. Zwar trainiere ich weiter und habe auch am S25 in Berlin teilgenommen, aber der Rest des Laufjahres wird eher entspannt und ohne Langdistanzen ablaufen.

Eher könnte ich versuchen, noch mehr an meiner Beweglichkeit und Kraft zu arbeiten und meine Zeit auf Unterdistanzen zu verbessern. Aber auch hier gilt: "Alles kann, nichts muss" und so werde ich bei schönem Wetter auch einfach mal nur am Badesee rumlümmeln oder bestenfalls Stand Up Paddling ausprobieren, statt die Laufschuhe zu schnüren.



Nachwort: Endgültig abgeschlossen habe ich das Kapitel Boston noch nicht. Schon auf der Zielgeraden kam mir die fixe Idee, es in fünf Jahren in der M60 noch einmal zu versuchen. Wie schön muss es erst bei gutem Wetter sein...




Hier noch ein paar für euch zusammengestellte Links:


Runskills waren auch vor Ort:
Boston Globe - Yes, this Boston Marathon was great. Here's why
New York Times - What It Was Like to Run the Boston Marathon in a Freezing Deluge
Boston.com - 10 must-see moments from the 2018 Boston Marathon
Boston Marathon Podcast




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